Kurzpredigt im Vorübergehen
Mit den Gedenktagen im November
erinnert eine humane Gesellschaft an ihre Toten -
an die Gefallenen der Kriege, die Widerstandskämpfer, Terroropfer,
die Millionen der in den Lagern Vernichteten.
Das Gedenken bezeugt ihre Würde.
Gläubige vertrauen zudem auf die Lebenstreue Gottes
Sie verstehen die Schöpfung als Solidargemeinschaft
zwischen Lebenden und Toten.
Katholiken feiern dies zu Allerheiligen und Allerseelen.
Ich gehe zur Mitte
TRAUM UND TRÄNEN
Was sind wir doch für seltsame Wesen!
Voll Sehnsucht spannen wir uns aus nach einem
„traumhaften“ Leben: Gesundheit, Wohlstand,
gelingende Liebe, Harmonie untereinander in
Achtung und Gerechtigkeit (sprich Frieden) …
Aber die Wirklichkeit beschert uns oft Tränen -
Schmerz, Enttäuschung, Sorgen, leidvolle Zwänge,
Gewalt, am Ende unausweichlichen Tod.
In dieser Spannung von Traum und Tränen spielt
sich unser Leben ab.
Im oft grauen November, da die Blätter fallen und
Nebel und Dunkelheit uns bedrängen, wird das
Tränenhafte besonders deutlich.
Du siehst eine Grabplatte für 19 deutsche
Soldaten – ein Friedhof in Norwegen, weit
hinter dem Nordkap. Namenlose. Junge Männer
in einen ungerechten Krieg getrieben, um zu töten
und zu erobern. Von wie viel Leid spricht diese Platte!
„Volk ohne Raum“ - eine Lüge. Todesverherrlichung
als „Heldentum“ - geistiger Betrug am Volk.
Todesexpansion: In 46 Ländern gibt es deutsche
Soldatengräber. Stille Erinnerungsorte an Opfer
und Täter. Mahnung für uns Heutige.
Nach wie vor gilt: „Wehret den Anfängen!“ (Ovid)
Der blinde Zeitgeist zielt auf Verdrängung und
Steigerung des Lebens hier und jetzt. Doch
Schreckensbilder des Tötens kommen über-
reichlich von den aktuellen Kriegsschauplätzen
wie Terroranschlägen und schrecken uns auf.
Unablässig Tränenfluss durch Menschenschuld.
Das mehrfache Totengedenken im November
kann uns helfen zu erkennen, dass der Tod -
nicht der gewalttätige – sondern der natürliche,
letztlich erlösende, zum Leben gehört.
Jesus ist sehenden Auges seinem schrecklichen
Tod entgegen gegangen. Weil er in Gott geborgen
war, wurde er für ihn zur Pforte des Lebens.
Im Erbarmen dieses Lebenden sind alle unsere
Toten und künftig auch wir geborgen.
So kann der geistliche Dichter Lothar Zenetti
dem Auferstandenen seine Stimme geben:
„Wenn du trauerst, will ich dich trösten.
Wenn du kalt wirst, will ich dich wärmen.
Wenn du Tod sagst, sage ich Leben.“
Ulrich Schäfer
Mein Herz sucht Gottes Nähe
IM TOD BEI DIR EIN NEUES LEBEN
Du unser Gott,
Du großes Geheimnis,
Quellgrund meines Lebens,
Meer, dem alles zuströmt,
Urgrund und Vollender meines Seins.
Ich bin im Herbst meines Lebens
dankbar für erfüllte Zeiten
im Wechselspiel beschwingter Träume
und bedrückender Tränen,
geboren, um zu sterben.
Kannst Du das gemeint haben?
Und wenn schon:
dann hoffentlich ein geglücktes Leben
im Einklang mit mir selber,
im Miteinander mit Anderen
und der Natur,
die uns Werden und Vergehen vorlebt.
Aber viel Vielen wird der Lebensfaden
durch Krankheit, Hunger, Flucht,
Hass und Krieg
in frühen Jahren abgeschnitten.
Selber noch Kriegskind,
stand ich vor brennender Wohnung auf der Straße,
aber lebend.
So bitte ich Dich um Kraft und Segen für alle Menschen,
dass sie im Tod bei Dir ein neues Leben finden,
das unsere Vorstellung im Hier und Jetzt übersteigt.
Das hoffe ich.
Dorothee Henrich
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