Ich gehe zur Mitte

WAHL OHNE QUAL

Wenn eine Regierung nach demokratischen Spielregeln
vorzeitig abtreten muss, ist der mündige Bürger im 
Interesse seiner guten Zukunft gerufen, eine 
verantwortungsbewusste Wahl zu treffen. Diese staats-
bürgerliche Aufgabe ist zugleich eine religiöse. Gott will.
dass es der Volksgemeinschaft gut gehe.

Ein großartiges Bild dafür findet sich im Palazzo Pubblico, 
dem Rathaus von Siena. Im Goldenen Zeitalter um 1300, 
da die Stadt wirtschaftlich und kulturell erblühte, wurde 
der Maler Ambrosio Lorenzetti berufen, der idealen
Stadtregierung ein Denkmal zu setzen.
So schuf er ein gewaltiges Fresko mit allegorischen 
Figuren, die die guten Kräfte des Gemeinwesens darstellen:
Über allem schweben wie Engel die göttlichen Tugenden
Glaube, Liebe, Hoffnung. Darunter, wie auf der Regierungs-
bank, der Friede, die Tapferkeit und Klugheit - in der Mitte 
die gekrönte Kommune Siena - rechts neben ihr die 
Hochherzigkeit, die Weisheit und Gerechtigkeit.
Alle ausgestattet mit typischen Symbolen.

Nichts von diesen wesentlichen Eigenschaften sollte auch
unserer neuen Regierung und den Abgeordneten fehlen.
Es sind zeitlose Grundlagen für das Glück des Volkes.
Bei welcher der zur Wahl stehenden Parteien können wir
sie finden? Gewiss, wenn auch nicht perfekt, bei den
demokratisch bewährten, dem Grundgesetz und dem
Gemeinwohl verpflichteten. 
Aber daneben erheben sich andere Kräfte, in denen man 
„Rattenfänger“ und „Brandstifter“ erkennen kann. Sie 
reden von Frieden, aber verweigern Verteidigungskraft, 
diffamieren andere Nationen, doch übersehen den
Kriegsverbrecher und werden von diesem gelobt.
Aus den aggressiven Reden der Undemokraten dröhnt
Rassismus, Antisemitismus, Hass und Hetze.
Das ist mit unserer Sehnsucht nach wirklichem Frieden, 
Gerechtigkeit und Wirtschaftsgedeihen nicht vereinbar.
Ein Besorgter ruft uns auf:
 „Lassen wir uns nicht von ihren Feindbildern und
Verschwörungsmythen beeindrucken! Fallen wir nicht 
auf Lügen, die Verdrehung von Tatsachen und das 
`Gift der einfachen Lösungen` rein! Treten wir im
Einsatz für die Menschenwürde jeglichem Extremismus
entgegen!“ 

Bischof Gerhard Feige, Magdeburg, auf einer Kundgebung:
„Sicher ist es als Kirchen nicht unsere spezifische Aufgabe,
Tages- oder Parteipolitik zu betreiben. Wenn es aber um die 
grundlegenden Werte unseres Zusammenlebens und das
Gemeinwohl geht - die Unantastbarkeit der Würde jedes 
Menschen, Hilfe zur Selbsthilfe und Solidarität,
Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, Anstand und Respekt -
lasse ich mir den Mund nicht verbieten.“
Und gemäß dieser Grundsätze habe ich keine Qual 
mit der Wahl, denn ich weiß, dass nur einer wirklich
demokratischen Partei mein Kreuzchen gehören kann.

Übrigens: Auf dem Fresko von Lorenzetti sitzt auf dem 
Schoß der Kommune die Stadtpatronin, die Jungfrau
mit dem Kind. Auch das sagt etwas.

Ulrich Schäfer