Ich gehe zur Mitte

ADVENTLICH UMDENKEN UND LOSGEHEN

Da ist eine Frau unterwegs (genauso könnte es 
ein Mann sein). Ihr Blick schaut geradeaus.
Ihr Körper ist erwartungsvoll nach vorn geneigt,
die Füße bewegen sich noch etwas zaghaft,
sind diesen Weg noch nie gegangen.
Aber er liegt einladend vor ihr.
In ihrem Rucksack ist Proviant.

Die Frau ist aufgebrochen aus ihrem bisherigen 
Leben – aus Routine und Abhängigkeiten,
auch aus den religiösen Gewohnheiten.
Es muss doch eine Zukunft geben,
die größere Verheißung in sich birgt!
Klingt so der Lockruf des Advent?
Ist dies das Wehen eines Geistes, der
Überlebtes und Verkrustetes aufbrechen will?
Winkt da als Ziel die Möglichkeit,
sich selber tiefer zu begegnen – und auch Gott?

Wer mit Achtsamkeit und Wahrheitsliebe
in sich selbst hineinschaut, könnte vielleicht 
feststellen, dass Vieles an adventlicher 
Spiritualität und Brauchtum das Herz nicht mehr
erreicht, geschweige sättigt, und dieses
„Leben nach Plan A“ am Wesentlichen vorbei
geht, dass es keinen Trost, keine wirkliche 
Hoffnung mehr vermittelt in unseren als
unheilvoll empfundenen Tagen.
Das könnte Traurigkeit, Resignation, ja 
Verzweiflung wecken. Aber gerade daraus 
könnte auch Sehnsucht aufbrechen, könnten 
sich Visionen entfalten, um einen neuen Weg
(sprich „Plan B“) zu beschreiten, d.h. mit einem 
neuen Denken, neuen Wahrnehmungen, einer 
neuen Sicht sich auf Ungewohntes einzulassen -
vom Alltag bis zum Glaubensleben.
Sind nicht die „Drei Weisen aus dem Morgenland“
gerade mit dieser Haltung aufgebrochen auf ihren 
weiten unbekannten Weg? Sie hatten eine Vision, 
verspürten einen Marschbefehl des Herzens
und haben so ihr Ziel, ihr Glück gefunden.

Wie könnte so ein Aufbruch für uns praktisch 
aussehen? Das versuchen die vier Advents-
gottesdienste in der Unterkirche aufzuzeigen.

Zu dieser Frage fand ich einen interessanten Text:
„Wollen Sie nun das Paradies finden oder nicht?“
„Theoretisch schon.“
„Dann fangen wir jetzt an. Tun Sie etwas, das 
Ihnen schwerfällt. Überwindern Sie sich. 
Vergessen Sie, was Sie wollen. Versuchen Sie ein 
Spiel. Vergeben Sie jemandem. Verschenken Sie 
ihr Gepäck. Führen Sie einen Wunsch spazieren. 
Aber zerren Sie nicht an der Leine. Geben Sie sich 
eine Chance. Andern auch. Setzen Sie etwas auf 
eine Karte. Singen Sie ein Lied. Hören Sie auf zu 
zählen. Stellen Sie etwas auf den Kopf. 
Möglicherweise sich selbst. Sie können natürlich 
auch etwas ganz anderes tun. Hauptsache, wir 
beginnen jetzt.“

Ulrich Schäfer